“ Auch ist das Suchen und Irren gut, denn durch Suchen und Irren lernt man.“
Johann Wolfgang von Goethe
Eine Reise zum Selbst: Erkenntnisse aus einer Reise in ein energetisches Heilzentrum nach Abadiania, Brasilien 2018.
Die ersten Tage in der Casa verbringe ich damit, die Eindrücke vom Dorf Abadiania und aus Brasilien zu verarbeiten. Die Hauptstraße präsentiert sich wie eine Kulisse aus einem Quentin-Tarantino-Film – ausgeteerte und rote Schotterstraßen, bevölkert von Tausenden von Menschen in weißen Kleidern, die Heilung suchen, sowie lebensfrohen und freundlichen Brasilienern, Straßenhunden, Fahrzeugen und sogar Männern mit Cowboyhüten auf Pferden (Gauchos). Dieses bunte Durcheinander fühlt sich zunächst verwirrend an, doch mittendrin fühle ich mich überraschend wohl.
In den frühen Morgenstunden laufe ich mit meiner Gruppe und unserem Guide zur Casa und bin sprachlos, als zahllose Menschen (alle in Weiß gekleidet) sich jeden Morgen um halb sieben zum Heiler begeben – ein tägliches Ritual, dessen wirkliche Dimension mir zuvor nicht bewusst war.
Das Gelände der Casa bringt mich schnell zur Besinnung. Meine langjährigen Ängste und blockierten Emotionen werden sofort angetriggert. Seit ich denken kann, fällt es mir schwer, das Leid und den Schmerz anderer zu ertragen. Der Anblick von Blut lässt meinen Kreislauf zusammenbrechen, und ich habe Berührungsängste vor Krankheit und Armut. Hochsensible Menschen wie ich übernehmen schnell die Gefühle anderer, und um damit umzugehen, habe ich gelernt, mich zu verschließen und eine Mauer um mich herum aufzubauen.
Diese Schutzwälle bieten hier auf dem Heilergelände keinen Schutz, denn ich werde ständig mit Krankheit und Armut konfrontiert. In kürzester Zeit wird mir schwindelig, und obwohl ich versuche, mich zu sammeln, gelingt es mir vorerst nur bedingt, denn ich muss mich auf die fast 40 verschiedenen Verhaltensregeln auf dem Gelände konzentrieren. In diesem Moment bin ich meinen Guides, die deutsche und englischsprachige Touristen zum Heiler begleiten, unendlich dankbar. Hier, wo Portugiesisch gesprochen wird und tausende hilfesuchende Menschen aufeinandertreffen, ist es eine große Erleichterung, dass jemand auf mich aufpasst.
Während ich die Menschen auf dem Gelände beobachte, überkommt mich ein Gefühl der Scham. Ich schäme mich dafür, dass ich so sehr nach Erfolg gestrebt habe, ohne zu realisieren, was ich bereits habe. Wieso habe ich versucht, Krankheit, Schmerz und Armut aus dem Weg zu gehen, aus Angst davor, dass sie auch mich treffen könnten? Mein Verhalten erscheint mir peinlich, und während ich meine Tränen zurückhalte, frage ich mich, warum ich diese Schutzwälle um meine Emotionen aufgebaut habe. Wann habe ich aufgehört, meine Gefühle zuzulassen, und wieso? Warum habe ich versucht, Idealen zu entsprechen, die nicht zu meinem Wesen passen? Ich erinnere mich daran, dass ich als Kind anders war. Wieso habe ich niemandem mehr vertraut und stets alles selbst erledigt, bevor ich zugelassen habe, dass jemand anderes es für mich tut?
Wer besucht so ein Heilzentrum?
Nicht nur kranke Menschen suchten ihre Heilung dort, auch neugierige Reisende verbrachten einige Zeit dort. Oder auch ein Top Manger aus dem Smart Phone business, mit welchem ich mich beim Suppe kochen unterhalten konnte.
An diesem Ort sind alle Menschen gleich. Reich. Arm. Dick. Gesund. Krank. Dünn. Jung. Alt.
Eine Sehnsucht nach kindlicher Leichtigkeit überwältigt mich, und ich erkenne die Ängste, die ich durch meine Reise mit mir herumtrage. Ich entscheide, dass ich all dies hinter mir lassen möchte, und mir wird bewusst, dass es höchste Zeit war, an einen Ort wie diesen zu kommen. Ich bitte darum, mir selbst wieder zu begegnen zu dürfen. Es ist nie zu spät, sich auf den Weg zu machen – auch wenn dieser Weg zu einem Heiler in einer Kulisse eines brasilianischen Dorfes führt.
Diese Reise wollte ich schon seit vielen Jahren antreten, doch mir fehlte der Mut, und hundert kritische Stimmen aus meinem Verstand sprachen dagegen. Und dennoch bin ich meinem Bauchgefühl gefolgt und habe mich durchgesetzt. Mir hat diese Reise Heilung gebracht und tiefe Begegnungen mit schönen Menschen. Damit ausgestattet, war es einfacher mein Leben zukünftig besser zu bewältigen.
Kritik:
Die Casa den Dom Ignacio kam Jahre nach meinem Besuch leider in Verruf… und ich selbst kann nur gutes darüber berichten. Tatsächlich bin ich aber zu kurz dort gewesen, um das fundiert kommentieren zu können. Was mir aber auffiel, ist das Menschen welche dort einen zu langen Zeitraum verbrachten, aufhörten auf ihre eigenen Impulse zu hören und stets nach einer Antwort beim Heiler suchten . Um eine solche Reise anzutreten, sollte man innere Stabilität mitbringen und gelernt haben sich stets auf sich selbst verlassen zu können.
Was ich positives mitgenommen habe sind nicht nur die Eindrücke von Glück bei kranken Menschen, sondern auch eine Form von Zufriedenheit mir mir selbst. Denn die Menschen, welche am stärksten von Krankheit gezeichnet waren zeigten mir was es heißt glücklich zu sein. Und Glück ist unabhängig von Gesundheit und Wohlstand.
Eine Frau, welche kaum laufen konnte empfand Glück über jeden kleinen Schritt. Etwas .. was wir als selbtsverständlich hinnehmen! Und für die eigenen Selbstverständlichkeit von meinem Glück empfand ich auf einmal so etwas wie Scham.
Denn die Fokussierung auf das Wesentliche im Leben, bringt nicht nur Erdung sondern auch seelische – geistige – sowie mentale Gesundheit. Diese entsteht durch Achtsamkeit. Folglich werden die richtigen Schritte zur körperlichen Gesundheit eingeleitet .
Darüberhinaus habe ich selten in einem Land so viel Reichtum an Obst und Gemüse gesehen, nicht zu vergessen die unendlich scheinende Fülle von Bodenschätzen : ich sah bunte Kristalle auf Feldwegen liegen! Die Natur dort ist ein unvergleichliches Erlebnis, nach einem Bad in einem brasilianischen Wasserfall – umringt von wunderschönen, blauen großen Schmetterlingen war ich überwältigt von so viel Naturgewalt.
Erneut kann ich bestätigen das ich froh bin, auf meine innere Stimme gehört zu haben und dem Verstand keinerlei Chance gab, mir diese Reise auszureden. Allerdings hatte ich ihn stets im Gepäck – denn ohne Verstand keine Planung :-).